Mittwoch, 3. Januar 2018


Ein Nachruf zu Silvester Teil 1: Opfert dem germanischen Feuergott!


Ich habe die Tradition des Feuerbrauchs zum Jahresende nie begriffen, wenn dabei doch jedes Jahr deutschlandweit so viele Verletzte und manchmal auch ein paar Tote zu beklagen sind. Man füllt sich stundenlang ab und ausgerechnet in diesem besoffenen Zustand zündelt man mit Sprengstoff herum und dann wundert man sich, wenn was passiert! In Nachrichten und Zeitungen wird die Opferzahl emotionslos runter gebetet, als wäre Feuerwerk höhere Gewalt. Als wären die Verletzten Opfer einer nicht vermeidbaren Naturkatastrophe geworden.

Jahrelang kam nirgendwo jemals der Vorschlag auf, an dieser Tradition irgendetwas zu ändern. Nicht mal der Ansatz einer Idee! Feuerwerk und zahlreiche Verletzte zum Jahresende sind ein physikalisches Naturgesetz und eine kosmologische Konstante! Man kann daran leider gar nichts ändern! Oder doch? Nein, auf keinen Fall! Jetzt habe ich endlich begriffen wieso: Das Abfackeln von Feuerwerk ist ein altheidnischer Opferritus zu Erntezwecken! Damit das neue Jahr gelingt, es keine Naturkatastrophen, kein Armageddon gibt und die Ernte im Herbst üppig ausfällt, müssen ein paar Menschenopfer dargebracht werden und das macht man bis heute über Feuerwerk.

Erst wenn genug Tiere aufgescheucht, genug Hunde und Pferde aufgeschreckt wurden und auf die Fahrbahn gelaufen sind und Unfälle verursacht haben, wenn genug Gitarristen-Karrieren im Keim erstickt wurden wegen abgesprengter Finger, wenn genug Handchirurgen Nachtschichten geschoben haben, wenn genug Menschen ihr restliches Leben künftig nur noch High-Threes statt High-Fives verteilen können, wenn genug Augenhöhlen leer und verglast sind, wenn genug tapfere besoffene Männer auf den Feuerschlachtfeldern unter Artilleriebeschuss für Ehre und Feuerland ihr Leben gaben, weil sie im Vollsuff mit Polenböllern hantierten, werdet ihr merken, dass man Feuerwerk nicht essen kann und es auch nicht glücklich macht! Aber es kehrt wieder Ruhe ein für ein Jahr! Die Opfergaben sind erbracht, der germanische Feuergott ist besänftigt, die Apokalypse verschoben und die Ernte wird wieder üppig dieses Jahr und wir können den süßlichen Feinstaub nach der Feuerwalze in vollen Lungenzügen genießen!

Aber jetzt mal im Ernst, manchmal kann man eine dämliche Tradition als solche besser entlarven, wenn man eine noch dämlichere Tradition als angeblichen Grund anführt. Kunst muss zynisch und mitunter menschenverachtend klingen, wenn die Gesellschaft, die die Kunst karieren soll, es ist. Feuerwerk verbieten! Schluss, Punkt, Aus! Kann doch nicht so schwer sein und etliche Jugendliche wachsen jedes Jahr weiterhin zehnfingrig auf, viele Menschen behalten ihr Augenlicht, zwei oder drei sogar ihr Leben. Reicht das nicht schon aus, um auf eine veraltete, sinnlose Tradition zu verzichten, die nach drei oder vier ruhigen Jahreswechseln eh keiner mehr vermisst?

Fasnacht, Weihnachten und andere Feste werden doch auch ohne Feuer begossen und keiner beschwert sich. Oder muss es erst zum Supergau-Präzedenzfall kommen, wo dann wegen zehn zusammengeklebten Polenböllern gleich zwei Großfamilien beim Dorffest auf einmal drauf gehen, zusätzlich eine ganze Schulklasse erblindet und woanders eine Feuerwerksrakete ein ganzes Holzhaus mitsamt Bewohnern in Brand setzt? Ja, ich denke das muss es leider, denn im Hinblick auf schärfere Sicherheitsvorschriften und teure Schutzmaßnahmen entlarvt sich die Politik tatsächlich als Menschenopfer einfordernder Götze. Erst bei tragischen Präzedenz-(Un)-Fällen mit befriedigend hoher mindestens zweistelliger Opferzahl, wenn Minister ihr Beileid und ihr Entsetzen bekunden, erst dann wird, aufgrund des medialen und öffentlichen Drucks, tatsächlich was wirklich nützliches unternommen! Davor eher nicht. Wer ist jetzt menschenverachtend?

 © Dr. med. Michael Zeitner (Pöbelkolumne), Handchirurg, Feuerwerkfabrikbesitzer, Börsenspekulant



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