Ich muss kurz mal was loswerden zu den Frauen, die in ihrem Profil auf Flirtseiten betonen, dass sie nur auf mega-kreative Erstmails reagieren: Es gibt keine ultimative erste Mail, vor allem sind diejenigen, die sich nur bei mega-kreativen Mails zu einer Antwort herablassen, meist die unkreativsten Profile, die es gibt:
Der vorhandene „Text“ erstreckt sich über höchstens drei bis fünf Zeilen und endet mit den Worten „findet es selbst heraus“, dazu gibt’s fünfeinhalb Fotos und drei davon sind von Haustieren oder der Natur. Vielleicht gibt’s noch die Aufzählung der zwanzig Lieblingsserien, die Information, dass man Kaffee mag, Mangas toll findet und gerne unter der Dusche singt. Vorhandene Hobbys lesen sich oft wie der Eintrag eines Zweitklässlers in das Poesiealbum eines Freundes: Ich mag Lesen, Schreiben, Zeichnen, vielleicht noch Rechnen? Der Gipfel der Kreativität sind absolut einmalige Nicknames wie „Cupcake“ oder „Buttercup“.
Was soll Man(n) jetzt damit anfangen? Von hundert Profilen, sind neunzig so wie deins! Du bist aber trotzdem so anders, lustig und durchgeknallt, so crazy und auf charmante Weise frech, und das soll ich anhand deiner zwei Fuckface-Selfies vorm Spiegel im Bad erkennen und vielleicht noch durch einen aktuellen Youtube-Link zu einem Ed-Sheeran-Song. An was soll Man(n) denn bitte kreativ anknüpfen, wenn auf deinem Profil weniger Infos stehen als auf dem Etikett einer gängigen Müslipackung aus dem Einzelhandel?
Misses „Ich bin mir zu fein dafür auf ein nettes, einfaches Hallo, wie geht’s zu antworten?“ Was soll ich denn in die Erstkontakt-Mail schreiben? Wenn man das dann direkt fragt, weißt du das doch selber nicht. Vielleicht die Noten für ein zehnminütiges Sonett plus fünf Seiten Text, der eine Ode an die jetzt auf den zwei Badezimmer-Selfies entdeckte Traumfrau sein soll?
Soll ich deine Gedanken lesen können, die innere Sehnsucht deines Herzens erraten und zufällig in Worte gießen können, wie flüssiges Gold in eine Ringform, und meine erste Mail ist dann mit magischem Feenstaub überzogen und es tropft noch glitzerndes Konfetti aus deinem Bildschirm und du fühlst beim Lesen „Das könnte der eine sein“, als wäre das hier ein Jennifer-Aniston-Liebesfilm oder die Szene aus Braveheart als William Wallace seiner künftigen Braut die in Büchern gepresste, in Kindertagen überreichte Hanfblüte zurückgibt? Das soll in der ersten Mail alles rüber kommen und ich soll dann hoffen das Ihro Gnaden darauf anspringt? Das soll dann kreativer sein, als „Hi, wie geht’s?“
Da kannste lange warten, sitzt mit fünfundvierzig noch allein daheim und wartest auf die ultimative erste Mail, anstatt dich mal mit real existierenden Männern aus deiner Umgebung zu treffen, die dich höflich und respektvoll anschreiben oder ansprechen, ohne dich zu überrumpeln.
Wie wärs denn mit „Denkst du eigentlich, du bist lustig mit deiner verkackten Art?“ als ultimativer erster Satz, hm? Ist sehr kreativ und vor allem frech und das Zitat eines sehr geschätzten deutschen Dichters.
Das Problem hier ist, dass Dating zum Marketing wird, ob dahinter ein gutes Produkt steht ist egal, Hauptsache man verkauft sich gut mit irgendwelchen Sprüchen und die Prinzessin entscheidet dann nach der ultimativen ersten Mail, ob sie Daumen hoch oder Daumen runter gibt, und tut so als könnte sie das objektiv entscheiden, dabei ist es ein subjektives Machtspielchen wie bei Heidi Dumm aus Germanys Next Toptussi. Ich habe das schon oft genug als Feedback bekommen, ist die Mail kreativ und ausführlich, ist sie „seltsam“, ist sie kurz und soll nur ein vorsichtiges Erstinteresse signalisieren ist sie „langweilig“ und „unkreativ“. Wie war das noch mit der Dobler-Dahmer-Theorie aus How I met your Mother?
Entschieden genervt bin ich auch von dem oft verwendetem Satz auf dem Profil unter der Rubrik SUCHTEXT(!): „Ich suche nicht, ich lasse mich finden!“ Du bist dir also zu fein dafür zu suchen und zuzugeben, dass du nicht alleine durchs Leben gehen willst? Deswegen bist du auch auf einer PartnerSUCHseite angemeldet, weil du nicht SUCHST! Ist das beim ersten Date auch so und der erste Satz lautet: „Ich denke eh nicht, dass es funktioniert!“ Schuld daran ist vielleicht ein Über-Feminismus, der es der starken, modernen, emanzipierten Frau von heute verbietet, öffentlich zuzugeben, dass sie gerne mit einem Mann durchs Leben gehen würde, statt dauerhaft mit Alice-Schwarzer-Selbsthilfe-Büchern und Eis.de-Produkten.
Sammelt ihr nur männliche Fans in euren Flirtportalen und wollt euren aktuellen Marktwert checken und knüpft euer Selbstwertgefühl nicht nur an den Body-Mass-Index, sondern neuerdings auch an die Menge der Mails in eurem Elite-Partner-Postkasten?
In unser heutigen Geldscheinwelt voller Selbstdarstellung und Selbstoptimierung darf keiner zugeben, dass er irgendetwas braucht, außer Geld, Status und Konsumgüter. Auf dem Flirtportal Finya kann man tatsächlich seine Lieblingsmarken angeben und die Logos erscheinen dann auf dem Profil. Manchmal fehlt der Profiltext komplett und es stehen echt nur zehn Luxusmarken da. Schon mal von einem Traumpaar gehört, dass sich über die gemeinsamen Lieblingsmarken gefunden hat? Ist das dann der O-Ton beim Hochzeitsbankett: „Wir haben uns nicht altmodisch-herzzerreißend-romantisch an der Reling auf der Titanic kennengelernt, sondern über den Ich-mag-Nestlé-Button auf Finya.de, weil die die Wirtschaft genauso geil finden, wie ich einen feuchten Partner mit Mordspedes oder BMW. Wie romantisch, oder?“ Soll ich statt eines Profilbildes vielleicht meine letzte Gehaltsabrechnung hochladen? Seltsamerweise fehlen bei Finya meine Lieblingsmarken: Lidl, Duff-Bier, Jakordia-Drehtabak und Billy Boy.
Natürlich ist der notgeile Mann auf Flirtportalen keinen Deut besser, der sich vorm dicken Mietwagen fotografieren lässt und mit Photoshop den Bizeps aufpumpt und die Frau über Glasfaser-Netzkabel per Erstmail sexuell belästigt, bevor er sie überhaupt real getroffen hat.
So war dieser Text jetzt kreativ genug? Hm, wenn auf deinem Profil der mir verhasste Satz steht: „Ich reagiere nur auf unglaublich kreative erste Mails“, haue ich das hier einfach per Copy-&-Paste in die Nachricht! Mal gucken, ob du reagierst! Alle elf Minuten erschießt sich ein Single wegen Parship....
„Excuse my language, Mr. Butler“ – So Zeitner, Ende!
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